Kleine Reform, große Wirkung?
Am 26. April 2022 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) eine Resolution, die politisch weitreichende Konsequenzen für den VN-Sicherheitsrat haben könnte. Resolution A / 76 / 262 sieht vor, dass die Generalversammlung zukünftig immer dann automatisch zusammentritt, wenn eines der fünf permanenten Mitglieder (die sogenannten »P5« China, Frankreich, Großbritannien, Russland, USA) im Sicherheitsrat ein Veto einlegt. Das Mitglied oder die Mitglieder, die ein Veto eingelegt haben, sollen dann in einer formellen Sitzung ihre Entscheidung vor der versammelten VN-Mitgliedschaft erläutern und zur Debatte stellen.
Da Frankreich und Großbritannien schon seit Langem auf ihr Veto verzichten, dürfte diese Neuerung – allerdings sehr unterschiedlich – die drei anderen Vetomächte Russland, USA und China betreffen. Augenblicklich dürfte Russland diesem – oder irgendeinem anderen VN-Beschluss – keine allzu große Aufmerksamkeit schenken. Die USA würden wohl weiterhin ohne Probleme Resolutionen zur Situation Israels blockieren und das auch aktiv in der Generalversammlung verteidigen. Am kompliziertesten dürfte die Abwägung der politischen Kosten für China sein. In Konflikten, wie beispielsweise Myanmar, in denen Chinas Eigeninteressen es nicht erlauben, sich hinter Russland zu verstecken, könnten die politischen Kosten für ein eventuelles Veto Chinas weiter steigen.
Darüber hinaus hat die Initiative Bewegung in lang festgefahrene Reformdiskussionen gebracht. Sie erinnert die Generalversammlung an die Fähigkeit, angesichts der Blockade des Sicherheitsrats eigene Maßnahmen zu ergreifen. Auch Deutschland, welches die Vetoinitiative zwar als Ko-Sponsor unterstützt, sich darüber hinaus aber nicht äusserte, wäre gut beraten, solcherlei Verfahrensreformen ernst zu nehmen. Allzu lange war die deutsche Außenpolitik durch die illusorische Forderung nach einem permanenten Sitz im Rat gelähmt. Und die zusammen mit Frankreich ins Leben gerufene »Allianz für Multilateralismus« scheint nach der 2020 beendeten Deutschen Ratsmitgliedschaft wieder in der Versenkung verschwunden zu sein.